23
Wie jedes Mal, wenn sich ein Dampfschiff der Stadt näherte, strömte fast die ganze Stadt zur Anlegestelle. Da es in Skaguay weder einen Telegrafen noch eine andere Verbindung zur Außenwelt gab, war man begierig darauf, von den Passagieren zu erfahren, was im Rest der Welt passierte, und endlich wieder Zeitungen und Magazine lesen zu können, in denen mehr stand als in den Skaguay News, die sowieso nur das berichteten, was Soapy Smith nützte.
In der Menschenmenge verlor Clarissa die Wirtin schnell aus den Augen. Vielleicht half sie auch ein wenig nach, weil sie sofort die Straße überquerte und sich unter die Leute mischte. Sie wollte mit Alex allein sein, falls er mit der Bristol kam, und nicht einmal die freundliche Wirtin bei sich haben, wenn er nicht an Bord war. Angespannt wie selten blickte sie auf die Bucht hinaus, den vertrauten Geruch von Salz und Tang in der Nase und die leichte Brise, die von Süden über das Meer wehte, im Gesicht. Sie wusste nicht, was größer war: die Erwartung, ihren geliebten Alex bald in die Arme schließen zu können, oder die Angst, er könnte nicht mit dem Dampfschiff gekommen sein.
Als die S.S. Bristol zwischen den vorgelagerten Inseln auftauchte, setzte begeisterter Jubel ein. Die Ankunft eines Dampfschiffes war ein Ereignis, das ausgiebig gefeiert wurde in Skaguay, auch bei Soapy Smith und seiner Bande, die in den meisten Passagieren willige Opfer fanden und nach ihrer Landung den größten Profit machten. Clarissa hatte bereits den Jungen ausgemacht, der sie nach der Landung angesprochen hatte, und nur ein höhnisches Grinsen geerntet, und auch Reverend Ike stand schon bereit, um ahnungslose Passagiere ins Skaguay Hotel zu locken und ihnen einen besonders preisgünstigen Ausrüster zu empfehlen. Die scharfen Worte, mit denen Dolly ihn vom Friedhof vertrieben hatte, schienen wenig Eindruck auf ihn gemacht zu haben.
Wegen der Ebbe, die bereits am frühen Morgen eingesetzt hatte, ankerte die S.S. Bristol ungefähr eine Viertelmeile vor der Anlegestelle. Noch bevor der Kapitän mit einem dumpfen Signal seine Ankunft ankündigte, war eine Vielzahl von Booten unterwegs, um die Passagiere und die von vielen Geschäftsleuten heiß ersehnte Fracht an Land zu holen. Dunkler Rauch stieg aus den Schloten des Dampfschiffes und vermischte sich mit dem Dunst, der wie feiner Nebel über dem Wasser lag. Von der Sonne war nur noch ein weißer Schimmer hinter den Wolken zu sehen. Leichter Wind kräuselte das Meer.
Nervös und mit wachsender Unruhe verfolgte Clarissa die Ankunft der Passagiere. Aus mehreren Booten gleichzeitig strömten sie an Land, schwere Koffer und Taschen in den Händen und nach der langen Fahrt begierig darauf, endlich die Goldfelder zu erreichen. Die wenigsten ahnten, welche Strapazen sie erwarteten, und wie schwierig es war, eine einigermaßen bezahlbare Unterkunft in Skaguay zu finden. Die Gier nach dem Gold machte sie blind für die Gefahren, und selbst viele von den Neuankömmlingen, die von Soapy Smith und seinen Machenschaften gehört hatten, fielen auf seine Leute herein. Clarissa beobachtete, wie der Junge sich an einen Mann mit einer schweren Reisetasche heranmachte, und sah den Reverend mit einigen gut gekleideten Männern über die Straße verschwinden. »Glauben Sie nicht alles, was der Junge sagt!«, rief sie dem Mann mit der Reisetasche zu, wohl wissend, dass er nicht auf sie hören würde. Der Mann hielt ihre Bemerkung für einen Witz und lachte. »Keine Angst, bei mir ist nichts zu holen.«
Clarissa wusste es besser. Frank Reid hatte ihr erzählt, dass Soapy Smith und seine Männer nicht nur Neuankömmlinge um ihr Geld betrogen, sondern auch Goldsuchern, die bereits ausgerüstet waren, ihre Geräte abnahmen und diese für teures Geld an andere Männer verkauften. Der dreisteste Coup des Verbrecherkönigs bestand allerdings darin, überhöhte Gebühren für ein Telegramm in die Heimat zu verlangen, obwohl es in Skaguay gar keine Telegrafenverbindung gab und die Leitung, die über der »Telegrafenstation« zu sehen war, bereits eine Viertelmeile weiter südlich im verfilzten Unterholz endete.
Alex war nirgendwo zu sehen. Er war in keinem der Boote, die von der S.S. Bristol kamen, auch nicht in dem großen Fischerboot, das mit über zwanzig Passagieren im flachen Wasser vor der Küste hielt. Nirgendwo sah sie sein Lächeln, keiner der ausgestreckten Arme, mit denen einige Passagiere ihren Verwandten oder Bekannten zuwinkten, galt ihr. Noch waren einige Boote unterwegs, und Alex gehörte sicher nicht zu den Passagieren, die sich beim Aussteigen nach vorn drängten, aber ihre Hoffnung, ihn an diesem Morgen in die Arme schließen zu können, schwand zusehends, und ihre Augen waren schon jetzt mit Tränen gefüllt. Die Gischt, machte sie sich selbst etwas vor, das Meerwasser, das nach allen Seiten spritzte, wenn die Passagiere aus den Booten sprangen und durch das flache Wasser an Land drängten.
Sie sprach einen der Männer an: »War ein gewisser Alex Carmack an Bord? Ein dunkelhaariger Mann, groß und mit breiten Schultern? Ein Fallensteller?« Der angesprochene Mann zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, Ma’am, die Beschreibung passt auf viele Männer.« Sie wandte sich an den Nächsten: »Er trägt wahrscheinlich Wollhosen und einen Anorak aus Karibufell … und einen Schlapphut …« Ein Kopfschütteln war die einzige Antwort. »Er hat sicher sein Gewehr dabei … eine Lee-Enfield …« Der Angesprochene schüttelte den Kopf. »Ich hab keine Ahnung, wie eine Lee-Enfield ausieht.«
Clarissa ließ enttäuscht die Schultern sinken. Wie versteinert, die Lippen fest aufeinandergepresst, um nicht laut loszuheulen, wartete sie, bis auch das letzte Boot zurückgekommen war. Schon aus der Ferne sah sie, dass Alex nicht dabei war. Sie trat ein paar Schritte zur Seite, um einige Hafenarbeiter mit schweren Kisten durchzulassen, und blickte neidisch auf ein junges Paar, das sich glücklich umarmte, nachdem es an Land gegangen war. »Gehen Sie zu Mrs Buchanan!«, rief sie ihnen zu, als sie den Jungen auf sie zugehen sah. »Der Junge will Ihnen nur ein teures Hotel aufschwatzen. Die Pension dort drüben!« Der Mann bedankte sich lächelnd und zog mit seiner Frau davon.
Das Wissen, wenigstens ein glückliches Paar vor den Fängen des Verbrecherkönigs gerettet zu haben, machte sie ein wenig froh, aber es half ihr nicht über die Enttäuschung an diesem Morgen hinweg. Wie ein schwerer Stein lastete das Gefühl in ihrem Magen, Alex noch immer nicht in die Arme schließen zu können. Nur noch ein Boot war zur Küste unterwegs, ein Beiboot der S.S. Bristol, in dem der Kapitän und einige Leute seiner Mannschaft an Land fuhren. Das Schiff würde erst am frühen Nachmittag die Heimreise antreten.
Clarissa fasste sich ein Herz und sprach den Kapitän an, als er an Land ging: »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie anspreche, Captain, aber ich suche meinen Mann.« Sie bezweifelte, dass Alex seinen richtigen Namen nennen würde, wenn er an Bord eines Schiffes ging, und nannte nur seinen Vornamen. »Er trägt einen Anorak aus Karibufell und hatte sicher ein Gewehr dabei, eine Lee-Enfield, falls Sie sich mit Gewehren auskennen.« Sie zauberte ein gewinnendes Lächeln auf ihr Gesicht. »Er ist Fallensteller.«
»Natürlich kenne ich mich mit Gewehren aus«, antwortete der Kapitän mit britischem Akzent, »ich war schließlich mal in der Armee Ihrer Majestät und war auf eine Lee-Enfield angewiesen, aber das ist lange her.« Seine Lippen und sein weißer Schnauzbart verzogen sich zu einem Lächeln. »Nein, so einen Mann habe ich leider nicht an Bord gesehen.« Er blickte seine Untergebenen an, die ebenfalls den Kopf schüttelten. »Tut mir leid, Ma’am. Aber trösten Sie sich, seit hier alle wegen des Goldes verrückt spielen, schicken wir jede Woche ein Schiff nach Norden. Nächste Woche ist die California dran. Ich gehe jede Wette ein, dass Ihr Mann dann an Bord sein wird. Würde mich auch sehr wundern, wenn er eine so hübsche Frau im Stich lassen würde.«
»Und er hat Ihnen auch keinen Brief mitgegeben?«
»Da müssen Sie den Postmeister fragen«, antwortete der Kapitän. »Wir liefern die gesamte Post an ihn, und er verteilt sie an die Empfänger. Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen wollen, Ma’am. Ich schätze, nach der langen Reise haben wir uns eine heiße Mahlzeit und ein Gläschen Whisky verdient.«
Clarissa blickte dem Kapitän und seinen Leuten nach, bis sie in einem der besseren Restaurants verschwunden waren, und blieb enttäuscht an der Anlegestelle stehen. Noch immer herrschte Trubel im Hafen, waren Neuankömmlinge damit beschäftigt, ihr Gepäck an Land zu schaffen und auf bereitstehende Wagen zu laden, schufteten auch Hafenarbeiter und stellten die ausgeladene Fracht zur Abholung bereit. Sie beobachtete, wie einer der Männer zwei Kisten mit Gemüse zur Pension von Mrs Buchanan brachte, und fühlte sich schuldig, ihr aus dem Weg gegangen zu sein. Gleichzeitig war sie erleichtert, diesen Augenblick nicht mit ihr teilen zu müssen.
Sie blieb lange stehen, starrte mit leeren Augen auf das Dampfschiff, dessen Schlote längst keinen Qualm mehr ausstießen, und wehrte sich mit aller Kraft gegen die Tränen, die in ihren Augen hochstiegen. Mach dich nicht verrückt, ermahnte sie sich, seit deiner Ankunft sind erst ein paar Tage vergangen. Wenn er sich vor Frank Whittler verstecken muss, dauert es vielleicht noch ein oder zwei Wochen, bis er sich an Bord eines Schiffes wagt. Mit einem der nächsten Dampfer wird er kommen, ganz bestimmt. Doch mit ihrer Hoffnung und ihrem vorgetäuschten Optimismus konkurrierte die Angst, er könnte längst tot sein, einem Unfall oder der Rachsucht von Frank Whittler zum Opfer gefallen sein und nie mehr zu ihr kommen. Whittler hatte schon mal auf ihn schießen lassen und würde es wieder tun, es vielleicht sogar darauf anlegen, und wenn es nur geschah, um ihr zu schaden. »Bitte lass es nicht so weit kommen!«, schickte sie ein verzweifeltes Stoßgebot zum Himmel.
Erst als kaum noch jemand an der Anlegestelle war, kehrte Clarissa zur Pension zurück. In ihrem Kopf herrschte eine grenzenlose Leere. Sie traf das junge Ehepaar, das sie zu Mrs Buchanan geschickt hatte, im Flur und wechselte ein paar belanglose Worte mit ihnen, zwang sich zu einem Lächeln und verschwand rasch in ihrem Zimmer, bevor Mrs Buchanan oder Dolly sie rufen konnten. Enttäuscht trat sie ans Fenster und blickte auf den Waldrand. Dunkel und in weiter Ferne lag er vor ihr. Bei dem Wrack des Planwagens waren weder ein Wolf noch ein Husky zu sehen, nur zwei Kinder, die Verstecken spielten und von ihrer Mutter zurückgerufen wurden. Die wilden Tiere verloren langsam ihre Angst vor den Zweibeinern, hieß es in der Stadt.
Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, blieb sie am Fenster stehen und beobachtete die beiden Kinder, die nur widerwillig zu ihrer Mutter zurückkehrten. Als sie verschwunden waren, und sie in die Ferne blickte, staunte sie, wie matt und abweisend sich die fernen Gletscher gegen den grauen Himmel abhoben. Das Eis auf den Gipfeln würde selbst während der kurzen Sommerzeit nicht schmelzen. Die Wildnis war ihr in diesem Augenblick wenig vertraut, sie kam ihr feindlich und abweisend vor, wie das Meer, wenn es vor einem schweren Sturm noch einmal Atem holt. Ohne Alex wäre ihr nicht einmal die Blockhütte, in der sie sich kennengelernt hatten, noch vertraut, und sie wäre wohl ewig auf der Suche nach einer neuen Heimat. Ein schwacher Windstoß fegte den letzten Schnee vom Dach der Pension und trübte ihren Blick, ließ selbst den nahen Waldrand verschwinden.
Es klopfte, und Mrs Buchanan öffnete die Tür. Sie brachte ihr eine Tasse mit heißem Tee und sagte: »Dolly hat mir alles erzählt. Ich hoffe, Sie sind ihr deswegen nicht böse. Ich weiß, dass Sie nichts Unrechtes getan haben, und ich würde alles tun, um Sie zu beschützen, falls die Polizei hier auftauchen würde.« Sie stellte die Tasse auf den Nachttisch. »Tut mir sehr leid, dass Ihr Mann nicht auf dem Schiff war. Glauben Sie mir, ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man vergeblich auf seinen Mann wartet. Aber er wird kommen, ganz bestimmt. Auf der California nächste Woche ist er bestimmt an Bord.«
Mit ähnlichen Worten tröstete sie Dolly, als sie bei ihr vorbeischaute. Die Engländerin, die inzwischen schon ohne Laudanum auskam, musste sogar lachen. »Ist das nicht komisch? Ich hab meinen Mann verloren und muss eine Frau trösten, die noch gar nicht weiß, was mit ihrem Liebsten passiert ist.«
»Du hast recht«, erwiderte Clarissa, »ich sollte mich nicht so anstellen. Alex kennt sich besser in der Wildnis aus als jeder andere Mann, die Indianer vielleicht ausgenommen, und lässt sich bestimmt nicht aufs Kreuz legen. Schon gar nicht von einem verwöhnten Städter wie Frank Whittler. Er kann nicht tot sein! Er kommt bestimmt mit dem nächsten oder übernächsten Schiff. Ich sollte mich viel mehr um dich kümmern. Wie geht es dir, Dolly?«
Dolly ging es täglich besser. Früher als erwartet konnte sie wieder aufstehen und sich auf Krücken fortbewegen, und nach drei Wochen hatte sich auch der Zustand ihres Knies so weit gebessert, dass sie kaum noch Schmerzen verspürte. Sie fing in dem Restaurant, in dem der Kapitän der Bristol gewesen war, als Bedienung an und investierte einen Teil ihres ersten Lohns in eine riesige Torte, die sie von dem deutschen Bäcker in der Holly Street backen und mit der Aufschrift »Danke, Clarissa und Mrs Buchanan« verzieren ließ.
Alex war nicht auf der California und ließ sich auch in der nächsten und übernächsten Woche nicht blicken. In der fünften Woche nach seinem Verschwinden brachte ihr der Kapitän jedoch einen Brief von Mary Redfeather mit, den sie wie etwas sehr Kostbares mit beiden Händen festhielt und erst allein in ihrem Zimmer öffnete. Hin und her gerissen zwischen vorsichtiger Freude über eine Nachricht aus Port Essington und der Angst vor einer Nachricht, die vielleicht ihr Leben zerstören würde, las sie die Zeilen: »Liebe Clarissa, entschuldige, dass ich dir erst jetzt schreibe. Leider ist Alex noch nicht aufgetaucht. Niemand weiß, wo er ist, nicht einmal die Indianer. Meine beiden Söhne haben tagelang nach ihm gesucht und ihn nicht gefunden. Außer dem Stiefel hat er keinerlei Spuren hinterlassen, und wenn er nicht ein so erfahrener Waldläufer wäre, könnte man fast glauben, er sei von der Brandung erfasst und ins Meer gezogen worden, aber das halte ich für unmöglich. In der Nacht, als er verschwand, war das Meer ruhig. Ich glaube, er hält sich irgendwo versteckt. Ein Fallensteller wie er weiß, wie man sich unsichtbar machen kann. Er muss einen triftigen Grund dafür haben, und ich bin sicher, dass er schon bald wieder auftaucht und nach dir sucht. Gib die Hoffnung nicht auf, Clarissa! Ich weiß, dass er wiederkommen wird, und gebe dir sofort Bescheid, wenn er sich bei mir gemeldet hat. Es grüßt dich Mary Redfeather.«
Clarissa las den Brief mehrere Male, bis sie ihn fast auswendig kannte, und trug ihn auch Mrs Buchanan und Dolly vor. Beide gaben sich genauso zuversichtlich wie ihre indianische Freundin. »Der kommt«, versicherte Dolly, die sich auch von ihrem Schicksalsschlag einigermaßen erholt hatte und zumindest nicht mehr in der Öffentlichkeit weinte. »So einer verschwindet nicht einfach.« Und Mrs Buchanan sagte: »Ich bete jeden Abend für Sie, Clarissa.«
Um ihre Ersparnisse nicht angreifen zu müssen, half Clarissa ihrer Wirtin inzwischen im Haushalt. Lediglich das Kochen überließ sie Mrs Buchanan, die vor allem auf Eintöpfe spezialisiert war und »den besten Elcheintopf zwischen der Arktis und dem Äquator« kochte, wenn man Fitz glauben durfte. Der alte Goldsucher hatte sich bei Frank Reid in Dyea einquartiert, kam aber jeden zweiten Tag zum Abendessen und grinste über beide Backen, wenn Mrs Buchanan ihm eine Schüssel mit Eintopf mitgab. Fitz und Frank Reid hatten inzwischen über achtzig Männer für den Kampf gegen Soapy Smith eingeschworen und bereiteten eine große Demonstration gegen ihn vor, die den Bürgern klarmachen sollte, mit was für einem gerissenen Betrüger sie es zu tun hatten, und ihn endgültig aus Skaguay vertreiben sollte. Dolly hatte zwei Kolleginnen angeworben, die ebenfalls gegen Soapy Smith auf die Straße gehen wollten, und Mrs Buchanan wurde nicht müde, über den Verbrecherkönig zu lästern. Clarissa war zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen, um Reids »Committee of 101« unterstützen zu können.
Doch noch war von der neuen Aufbruchsstimmung in Skaguay wenig zu spüren. Soapy Smith und seine Bande gingen weiter ihren krummen Geschäften nach, und seine Männer lachten jedem ins Gesicht, der die Nase rümpfte, wenn er an ihnen vorbeilief. Reverend Ike war mit der California nach Süden gefahren, wahrscheinlich, um auf der Rückfahrt mögliche Opfer in Augenschein nehmen zu können, und US Deputy Marshal Tanner versteckte sich hinter seinem Abzeichen und seiner Standardausrede, die meisten Verbrechen gingen auf das Konto einer Bande, die sich im nahen Kanada verschanzte.
Von Sam Ralston war nichts zu sehen. Clarissa hatte lediglich gehört, dass er in Jeff Smith’s Parlor am Spieltisch saß und die Leute reihenweise beim Pokern ausnahm, was entweder daran lag, dass die Goldsucher zu unbedarft waren oder er sich inzwischen beim Falschspiel versuchte. Als Clarissa ihm eines Abends scheinbar zufällig in der Stadt begegnete, war er jedoch ausgesprochen höflich und lüftete seinen Zylinder. »Nehmen Sie sich vor Soapy Smith in Acht!«, flüsterte er. »Der Bursche führt etwas gegen Sie im Schilde!«
Clarissa blickte ihn erstaunt an, doch bevor sie nachfragen konnte, war er verschwunden, und nur noch der Qualm seines Zigarillos erinnerte an ihn.